Die (a)sozialen Medien
Warum Sie mich nicht bei Instagram, Facebook, Linkedin, Tiktok und Co. finden
Oh nein, ich passe nicht die Verweigerer-Schublade. Weit gefehlt, denn tatsächlich ringe ich dem Internet und gelegentlich auch KI einigen Nutzen und Zeitersparnis ab. Allerdings habe ich mich dafür entschieden, die meisten der sogenannten „sozialen Medien“ konsequent zu meiden und einen ziemlich großen Bogen um sie zu machen.
Mit der Veröffentlichung meiner Zweifel, Sorge und teilweisen Ablehnung möchte ich Ihre Fragen (FAQ) dazu beantworten. Mir geht es darum, dass Sie mich besser kennenlernen und wissen, worauf Sie sich bei einer Zusammenarbeit einlassen, denn auch unsere berufliche Beziehung und Kommunikation wird nicht nur im medienfreien Raum stattfinden.
Wir können uns der Wirkung der sozialen Medien kaum entziehen
Viele Jahre habe ich sehr gern mit Kindern und Jugendlichen in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis gearbeitet. Ich liebe Kinder und die psychotherapeutische Tätigkeit mit ihnen hat mich oft berührt und manchmal belastet. Dies lag keineswegs an den Kindern und ihren großen Problemen. Es waren die Eltern, das soziale Umfeld und ausweglose Lebenssituationen, die sich in einer Therapie kaum ändern ließen, selbst wenn die Kinder sich gut entwickelten und gute Fortschritte machten.
Viel beschäftigt haben mich Kinder mit Essstörungen, die manchmal bereits im Grundschulalter begannen. Da waren die üblen Kommentare von MitschülerInnen, unbedacht ausgesprochene Wertungen der Eltern über den Körper der Kinder und dann vor allem Tiktok und Instagram, die völlig unrealistische Körpernormen und -vorbilder generierten. Die Kinder und Jugendlichen waren zwar fast alle gut aufgeklärt, ihr Medienkonsum wurde oft sogar von den Eltern kontrolliert und sie wussten, dass die Bilder gefaked waren – und dennoch konnten sie sich deren Wirkung nicht entziehen. Die Gen Z postet inzwischen unermüdlich, den eigenen Körper zu akzeptieren und dennoch denken viele junge Menschen über Schönheitsoperationen nach oder entwickeln schlimmstenfalls eine Essstörung. Natürlich sind deren Ursachen und Symptome nicht nur auf die sozialen Medien zurückzuführen, aber:
„Die technische Infrastruktur, mit der sich Menschen umgeben, zielt auf permanenten Vergleich und folgt der Logik der Quantifizierung. Immer ist jemand besser, hat mehr Punkte, Follower, Abonnenten oder Kilometer auf der Fitness-App.“ (Werner Bartens. Komm schon, da geht noch was. Süddeutsche Zeitung Nr. 186, 2025, S.13)
Der Vergleich mit andern wird permanent stimuliert
Soziologen wissen, dass es einen hohen Aufforderungscharakter hat, sich zu vergleichen, da das Angebot des Sich-Messens im Netz permanent stimuliert werde. Ulrich Bröckling von der Universität Freiburg stellt fest, dass man sich so kaum noch über die eigene Leistung freuen könne, denn der Vergleich sei nie abgeschlossen, nie zu Ende „… es ist nie genug“.
Die Schwemme an Ratgebern und Einflüsterern (Content Creator, Influencer, Podcasts und in Buchform) tut zusätzlich das Ihre und erreicht natürlich genauso uns Erwachsene: Es geht immer um Optimierung, Kontrolle und um eine zu erreichende Balance. Interessant, dass die Nachfrage nach solchen Ratgebern weiterhin wächst, was ja nicht gerade für deren erfolgreiche Rezepte spricht.
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen diagnostiziert in seinem Buch „Die große Gereiztheit“ einen „kommunikativen Klimawandel“: Während traditionelle Massenmedien an Relevanz, Reichweite und Vertrauen verlieren, sieht er im Aufstieg der sozialen Medien eine Art „fünfte Gewalt“, mit der eine Krise der Wahrheit, des Diskurses und der Autorität einhergehe.
Nicht nur, dass Facebook-Nutzer, die auf Zeitungs- und Fernsehnachrichten verzichten, sich schnell in einem Tunnel der (Selbst-)Bestätigung ihrer Meinungen und Vorlieben befinden. Hinzu kommt der Stress und die Überforderung unserer Wahrnehmung durch das drastische Nebeneinander von schlimmen Kriegs- und süßen Katzenbildern, des „Bestialischen und Banalen“ (https://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/tauchsieder-das-gift-der-asozialen-medien/20999416.html).
Ich frage mich, welche Folgen diese Bilderflut, die Gleichmachung und Nivellierung für die Sinne hat und wie sie unsere Wahrnehmung der Welt verändert? Legen wir uns alle ein dickes Fell zu, stumpfen ab und lassen uns nicht mehr berühren? Wie können wir uns der Sog- und Suchtwirkung der sozialen Medien entziehen? Und:
Wie verändern sich Begegnung und Kommunikation durch soziale Medien?
Ich bin ein Fan davon, wie eindrucksvoll „analoge“, also echte Kommunikation ist. Es werden diverse Sinne angesprochen, Emotionen ausgelöst, Gedanken kommen in Gang und der Körper reagiert und geht in Resonanz mit dem Menschen gegenüber. Wie wertvoll ist es, zuzuhören und sich der Macht der Körpersprache bewusst zu sein! Ich finde es spannend, wie eine bestimmte Gebärde, die Atmung und Haltung auf den jeweils anderen wirken, wie unser Unterbewusstsein sich „embodimental“ zeigt und welches Potential in unserem Körperausdruck liegt. Ach, ich komme ins Schwärmen.
Es befremdet mich, bei der online Kommunikation darauf nicht (oder nur eingeschränkt) zugreifen zu können. Mir gefallen weder die Selbstdarstellung, die Lügen, die Falschheit und die gleichmachende Normierung, noch glaube ich daran, dass aus sich aus followern echte Kontakte entwickeln. Ich lehne es ab, mein Netzwerk über vermeintlich „berufliche“ Portale zu vergrößern, weil ich keinen Gewinn in dieser Art von Kontakten sehe. Mir fehlen dort in vielen Fällen wirkliche Inhalte und mir ist das Posen, diese ständige professionelle Selbstdarstellung, unangenehm. Ganz zu schweigen von den nachgewiesenen Datenschutzverstössen.
Wir haben die Wahl
Viel lieber will ich mein Gegenüber sehen, hören, riechen, spüren. Körpersprache macht über 90 Prozent unserer Kommunikation aus. Wir haben noch kein Wort ausgesprochen und doch ist in Bruchteilen von Sekunden sehr viel gesagt. Der Körper lügt nicht, er kann nichts verbergen, er ist authentisch und – richtig gelesen – unser weisester Coach.
Es ist doch bezeichnend, dass wir in Chats versuchen, unsere Körpersprache durch Emojis, die „kommunikativen Krücken der Gegenwart“ zu ersetzen.
„Zurückhaltung, Zwischentöne, Ironie werden in Chats eigentlich immer missverstanden, und weil so etwas sehr reale Konsequenzen haben kann, übertreffen sich die Gesprächsteilnehmer an Eindeutigkeit und Zuneigungsbekundungen. Ein einfaches „Okay“ reicht in realen Gesprächen vollkommen aus. In Chats wird es schnell als passiv-aggressive Geziertheit missverstanden, als latent vorwurfsvoll.“ (Felix Stephan. Aber gerne. Süddeutsche Zeitung Nr. 181, 2025, S.9)

In der Welt der Chats fehlt nicht nur der Gesichtsausdruck und der Körper, es fehlt ja auch die Stimme, Intonation und Betonung. Ihre Prothesen sind inzwischen Herzen und Ausrufezeichen.
„Je seltener der affektive Kontakt zwischen Menschen also wird, desto verzweifelter wird er behauptet. Das Chat-Herz ist in dieser Hinsicht weniger ein Zeichen für Zuneigung, als vielmehr ein Zeichen, das die Abwesenheit jeder Art von realem Erleben anzeigt.“ (ebd.)
Denn gäbe es dieses Erleben real, wäre das Herz nicht nötig. Mich befremdet es sehr, dass inzwischen eine ganze Generation in dieser körperlosen Sphäre aufgewachsen ist.
Zum Zusammenhang zwischen Körper und Geist siehe Blog-Artikel „Embodiment – Wie Kopf und Körper zusammenpassen“.
Den direkten Kontakt halte ich deshalb für unverzichtbar.
Ja, es gibt Ausnahmen. Ein online-Kontakt kann in einer akuten Situation besser sein, als gar kein Kontakt und Beratungen und Mentorings sind auch durchführbar über eine Online-Plattform – man sieht und hört sich ja dabei wenigstens. Große Vorsicht ist geboten in Chats mit KI, deren scheinbare Empathie nichts weiter als Stochastik ist. Ich versuche deshalb immer, mindestens ein persönliches, leibhaftiges Treffen zu arrangieren, soweit das möglich ist.
Fazit:
Es wäre Verrat an der eigenen Sache, würde ich mich den sozialen Medien blind an- oder verschließen. Ich kann nicht auf einen Messenger-Dienst verzichten und ich schließe Emojis sparsam mit in meine Kommunikation ein, denn ich will richtig verstanden werden. Auch online-Kommunikation in Form von Video-Meetings sind hilfreich. Ich schreibe Blog-Artikel für diese Website, weil sie ehrlich sind, gut recherchierte Informationen liefern, Meinungen darstellen, weil ich mich als Expertin empfehlen will und weil sie die Gelegenheit zum Netzwerken und für Kooperationen schaffen.
Aber es darf niemals ein Ersatz für echte Kommunikation sein.
Teilen Sie meine Meinung oder sehen Sie das völlig anders? Ich bin und bleibe neugierig auf Ihre Resonanz.